Berufliche Perspektive statt Behindertenwerkstatt

Berufliche Perspektive statt Behindertenwerkstatt
Sven Otten zeigt LWL-Direktor Matthias Löb seinen Arbeitsplatz. Foto: LWL/Reichelt

Der Weg in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) war eigentlich vorgezeichnet für Sven Otten aus Ibbenbüren. Doch seit Juli 2014 startet der 22-Jährige als Produktionshelfer bei der Firma Gerhardi im Prototypenbau durch. Unterstützung auf seinem beruflichen Weg bekam der ehemalige Förderschüler durch das Projekt STAR (Schule trifft Arbeitswelt).

Das gemeinsame Vorhaben der beiden Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) bereitet Schüler mit Behinderung rechtzeitig auf das Arbeitsleben vor.Dazu gehören unter anderem eine Potenzialanalyse, Berufsfelderkundungen sowie verschiedene Praktika auf dem ersten Arbeitsmarkt. Bereits drei Jahre vor Schulentlassung werden die Schüler von den Fachkräften des Integrationsfachdienstes (IFD) begleitet. Diese sorgen dafür, dass der rote Faden bei der Berufsorientierung nicht verloren geht. „Wir wollen den Jugendlichen eine echte Alternative zur Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung bieten“, sagte LWL-Direktor Matthias Löb bei einer Betriebsbesichtigung. „In einer inklusiven Gesellschaft gehören Menschen mit Behinderung schließlich auch im Arbeitsleben in unsere Mitte.“

Dank der Unterstützung durch STAR sowie seiner Beharrlichkeit und seines Ehrgeizes hat Sven Otten den Sprung ins Berufsleben trotz einer geistigen Behinderung gemeistert. Im Prototypenbau-Team der Firma Gerhardi ist er mittlerweile fest integriert. „Der junge Kollege arbeitet motiviert, ausdauernd und sorgfältig“, berichtet sein Anleiter Ingo Zühlow. „Insgesamt ist er auf einem guten Weg in die Selbstständigkeit.“

Der innovative Ansatz des Projektes – eine Kombination aus individueller Unterstützung und Netzwerkarbeit – hat sich nach Angaben von Löb in der Praxis bewährt: Seit der flächendeckenden Einführung im Schuljahr 2012/13 haben in Westfalen-Lippe fast 3.500 Schüler aus 220 Schulen an der modularen Berufsorientierung nach STAR teilgenommen. 420 von ihnen konnten im Anschluss in eine Ausbildung, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder weitere berufliche Weiterbildungen vermittelt werden. Im Kreis Steinfurt wurden seit 2012 186 Schüler aus 13 Schulen auf ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt unterstützt.

Durchschnittlich kostet die Begleitung durch STAR pro Schüler knapp 2.500 Euro. In Westfalen-Lippe hat die Umsetzung des Programms bis 2014 rund 8,6 Millionen Euro gekostet – rund 4,4 Millionen Euro zahlte dabei der Landschaftsverband Westfalen-Lippe unter anderem aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Rund 4,2 Millionen Euro kamen aus Bundesmitteln der „Initiative Inklusion“ und des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Hintergrund

STAR auf einen Blick – ein Baustein in der Berufsorientierung in NRW
STAR (Schule trifft Arbeitswelt) wurde 2009 als landesweites Vorhaben zur Integration (schwer-) behinderter Jugendlicher vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW und den Landschaftsverbänden Westfalen (LWL) und Rheinland (LVR) ins Leben gerufen. Beide Landschaftsverbände haben die regionalen Integrationsfachdienste (IFD) damit beauftragt, STAR vor Ort zu verwirklichen. Seit dem 01.08.2012 wird das Programm flächendeckend in NRW angeboten.
Zur Zielgruppe des Förderprogramms gehören rund 11.000 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein Westfalen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in den Bereichen Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen sowie Sprache.
STAR will sicherstellen, dass in NRW alle jungen Menschen mit Förderbedarf Zugang zu einer vertieften Berufsorientierung erhalten. Gleichzeitig sollen ihre speziellen Bedürfnisse bei der Berufsorientierung und Berufseinstiegsbegleitung Berücksichtigung finden. Fähigkeiten, Potenziale und Förderbedarfe können so frühzeitig entdeckt, berücksichtigt und gefördert werden. Durch Betriebs- und Berufsfelderkundungen sowie Praktika sollen die STAR-Teilnehmer erste Einblicke in die Arbeitswelt erhalten.

LWL-Integrationsamt Westfalen
Das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat die Aufgabe, Arbeitgeber im Sinne der Inklusion dabei zu unterstützen, Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu schaffen und zu erhalten. Neben der technischen Ausstattung behindertengerechter Arbeitsplätze bildet die Beratung der betroffenen Menschen und der Arbeitgeber einen Schwerpunkt in der Arbeit des LWL-Integrationsamtes.

Integrationsfachdienste (IFD)
Die Integrationsfachdienste bieten Schülern aus Förderschulen, aus Schulen des Gemeinsamen Lernens und Beschäftigten aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung Unterstützung und Begleitung beim Übergang in den Beruf. Zudem beraten sie Arbeitgeber bei Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.

Agentur für Arbeit Rheine
Die Beratungsfachkräfte für Rehabilitanden und schwerbehinderte Menschen beraten diese über die Möglichkeiten beruflicher Eingliederung und unterstützen sie auf dem Weg ins Berufsleben. Die Agentur für Arbeit berät auch Arbeitgeber über die behindertengerechte Besetzung von Arbeitsplätzen.

Don-Bosco-Schule in Recke-Espel
Sven Otten besuchte die Don-Bosco-Schule in Recke-Espel. Sie ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung in Trägerschaft des Caritasverbandes Tecklenburger Land e.V.. Im Schuljahr 2015/2016 besuchen 146 Schüler die Schule. In der Berufspraxisstufe werden die Schüler an ihre zukünftigen Aufgaben und Tätigkeitsfelder herangeführt.

Gerhardi Kunststofftechnik GmbH
Die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH mit Hauptsitz in Lüdenscheid produziert Kunststoffteile für die Automobilindustrie und gehört zu den größten Arbeitgebern in Ibbenbüren. Das Unternehmen gibt schwerbehinderten Schülern die Möglichkeit, ein Schülerpraktikum über ein paar Wochen oder ein langfristiges Praktikum zu absolvieren. Im Fall von Sven Otten entstand daraus eine weitergehende Beschäftigung.

 

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