Faszination Mobilität – yes, you can

„Die wahre Freiheit ist nichts anderes als Gerechtigkeit.” Dieser Aphorismus
des deutschen Schriftstellers und Dichters Johann Gottfried Seume (1763 bis 1810) könnte nicht treffender sein für die Charakteristik der dokumentierten Nachweisführung zur Erlangung respektive Wiedererlangung der Lizenz zum Autofahren nach dem Eintritt einer Behinderung. Denn Flexibilität und Mobilität prägen nicht nur das Gesicht unserer Zeit, sondern auch unseren Platz in der Gesellschaft.

Das Auto hat mehr denn je eine ganz zentrale Bedeutung, wenn es um individuelle Bewegungsfreiheit geht. Im Berufsleben, im Alltag und in der Freizeit. Wer vorwärts kommen will, muss mobil sein. Gerade für Menschen mit Bewegungseinschränkungen ist dies umso bedeutsamer. Denn Mobilität ist ein großes Stück Lebensqualität. Wer darin eingeschränkt ist, weiß um die einschneidenden Konsequenzen.
Mit Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ wird dem Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland Verfassungsrang eingeräumt. Jedem mobilitätseingeschränkten Menschen muss die Möglichkeit gegeben werden, zu beweisen, dass er sicher am Straßenverkehr mit einem Automobil teilnehmen kann. Es gilt der Grundsatz: „Jeder Verkehrsteilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr hat dafür Sorge zu tragen, ein Fahrzeug sicher zu führen!“ (§2 FeV – Fahreignungsverordnung).

Safety first – Der Nachweis der Fahreignung

Der Gesetzgeber fordert zum Erwerb oder der Aufrechterhaltung eines Führerscheins nach Eintritt einer Bewegungsbeeinträchtigung an Armen und/oder Beinen, einer Sehbeeinträchtigung und/oder Einschränkung der neuropsychologischen Leistungsfähigkeit verschiedene gutachterliche Stellungnahmen. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür bilden die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV). Der Gesetzgeber will dadurch sicherstellen, dass jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Für Menschen mit einer Behinderung bedeutet das, sie brauchen nicht nur einen Führerschein, sondern auch ein Eignungs­gutachten analog §11 und §46 sowie Anlage 4 FeV, um ­nachzuweisen, dass sie körperlich und geistig in der Lage sind, ein Fahrzeug zu führen.

Das medizinische Gutachten

Als Basis-Gutachten dient das medizinische Gutachten nach §11 FeV Abs. 2. Die rechtlich anerkannte Befugnis für die Durchführung der Begutachtung haben Amts- oder Fachärzte (Beispiel: Neurologen) mit einer erfolgreich abgeschlossenen, verkehrsmedizinischen Zusatzausbildung (Verkehrsmediziner), Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“, Fachärzte für Rechtsmedizin oder der Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, inne. Das ­medizinische Gutachten ist in allgemein verständlicher Sprache zu halten und muss Auskunft darüber geben, welche Krankheit oder Behinderung vorliegt. Des Weiteren soll es klären, inwieweit diese Behinderung/Krankheit den mobilitätseingeschränkten Menschen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Sollte es zu Auffälligkeiten in der Eignungsbegutachtung kommen, ein neurologischer Befund vorliegen oder das Handicap Spasmen verursachen können, so wird in der Regel ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) angeordnet. Dies ist insbesondere häufig der Fall bei Hirnverletzungen (Schlaganfall, Schädel-Hirn-Traumata etc.) sowie bei progressiven Krankheitsbildern (Beispiel: Multiple Sklerose) oder spastisch-auftretenden Lähmungen. Zu diesem medizinisch-psychologischen Gutachten gehören Tests des Wahrnehmungs- und Orientierungsvermögens sowie des Reaktions- und Konzentrationsvermögens, durchgeführt von einer amtlich anerkannten Begutachterstelle für Fahreignung. Das Ziel ist die fachärztliche Bestätigung, dass keine medizinischen Gründe gegen eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr sprechen – für den Betroffenen selbst und für alle anderen Straßenverkehrsteilnehmer.

Das technische Gutachten

Benötigen Führerscheinanwärter nach positiv beurteiltem ­medizinischem Gutachten aufgrund ihrer Behinderungen Fahrzeuganpassungen oder -umrüstungen wird von der Führerscheinstelle zusätzlich ein technisches Gutachten verlangt. In diesem Eignungsgutachten zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach § 11 FeV Abs. 4 wird festgelegt, welche Anpassungen
notwendig sind: zum Beispiel Automatikgetriebe, angepasste Bedienvorrichtungen, angepasste Lenkung, angepasste kombinierte Brems- und Beschleunigungsmechanismen et cetera. Zu berücksichtigen ist hierbei die Andersartigkeit der Behinderungen. Denn viele Körperbehinderungen gehen mit massiven motorischen Einschränkungen einher, die nicht nur von Krankheitsbild zu Krankheitsbild, sondern auch bei Menschen mit der gleichen Behinderung sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Dieser Status Quo verlangt detaillierte Restkräftemessungen und genaueste Analysen der Bewegungsabläufe. Es muss ein Maßanzug auf vier Rädern geschaffen werden. Nach positivem Ergebnis werden die Auflagen und Beschränkungen des amtlich anerkannten Sachverständigen (aaS) von der Verwaltungsbehörde in den Führerschein in Form von Schlüsselzahlen der EU nach § 25 Abs. 9 FeV eingetragen. Diese Feststellungen geben zudem den Kraftfahrzeug-Umrüstunternehmen erste Anhaltspunkte zur Erstellung einer hautnah der Behinderung angepassten Automobil-Modifikation.

Weiter lesen Sie im RehaTreff 3/2018

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