Inklusiver Tischtennis-Lehrgang in Göttingen

Ziel des inklusiven Tischtennislehrgangs war es, Kinder und Jugendliche für das Thema „Sport mit Behinderung“ zu sensibilisieren. (Foto: „sport grenzenlos“)

Vom 3. bis 5. Januar veranstaltete das „sport grenzenlos Team“ zusammen mit dem Sport Club Weende einen inklusiven Tischtennis-Lehrgang. Eine Aktion, die allen Teilnehmern nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. „Wer will beim Abschluss-Turnier im Rollstuhl spielen?“ Charly Weber blickt fragend in die Runde. Da reißen die Kinder und Jugendlichen auch schon reihenweise die Arme hoch. „Na gut, das müssen dann eure Trainer entscheiden. Wir haben nämlich nur sieben Rollstühle“, sagt Weber und schmunzelt.

Kinder und Jugendliche für das Thema „Sport mit Behinderung“ zu sensibilisieren, das ist es, was den Co-Trainer der Behinderten-Nationalmannschaft im Tischtennis antreibt. Deshalb ist er vom 3. bis 5. Januar 2014 zusammen mit dem zweifachen Paralympicssieger im Rollstuhl-Tischtennis, Holger Nikelis, und dessen Nationalmannschaftskollegen Selcuk Cetin, Valentin Baus, Yannik Rüddenklau und Jannik Schneider auf Einladung des niedersächsischen Sportvereins SC Weende zu einem inklusiven Wochenend-Lehrgang nach Göttingen gereist. Dort traf die Gruppe auf 50 Teilnehmer aus Vereinen der Region Göttingen und dem kooperierenden Club Arminia Ochtrup aus Nordrhein Westfalen.

Dass dieses besondere Wochenende überhaupt erst möglich wurde, lag vor allem an Organisatorin Frauke Alves. „Ohne Frauke wäre hier gar nichts gegangen“, betont denn auch der Vorsitzende des SC Weende, Wilfried Schiktanz. „Sie hat zusammen mit den vielen ehrenamtlichen Helfern für eine hervorragende Organisation gesorgt. Dank Holger wurde das Ganze dann zu einem Riesen-Event.“

Die nicht behinderten Kinder und Jugendlichen konnten die Rollstühle an der Tischtennisplatte ausprobieren (Foto: „sport grenzenlos“)

Frauke Alves: „Die Aktion ging durch die Decke“

Alves’ Söhne hatten Nikelis, der mit seiner Kölner Initiative „sport grenzenlos“ für den Sport von Menschen mit Behinderung wirbt, im Rahmen eines Champions-League-Spiels der Borussia Düsseldorf kennengelernt. Man verabredete sich zu einer gemeinsamen Trainingseinheit. Bei der gemeinsamen Terminfindung wurden die Pläne dann immer größer. „Wir haben daraufhin das Konzept für diesen gemeinsamen Lehrgang erarbeitet und zusammen mit vielen kleineren und größeren Sponsoren ging die Aktion dann durch die Decke“, erzählt Alves.

Paralympics-Unterstützer OttoBock stellte so zum Beispiel für den Lehrgang mehrere Rollstühle zur Verfügung, die die Kinder und Jugendlichen unter Anleitung von Nikelis und Weber am Tisch ausprobieren durften. „Ich habe die Kinder selten so fasziniert und aufmerksam erlebt, wie mit Holger zusammen. Das war so einer dieser Momente, für die sich der Aufwand gelohnt hat“, sagt Alves. Berührungsängste: Fehlanzeige! „Unser Ziel bei einem solchen inklusiven Training ist es, mit den Teilnehmern gemeinsam und auf Augenhöhe zu spielen“, sagt Holger Nikelis. „Das geht nirgends besser als beim Tischtennis.“ Wenn es gelinge, nur ein paar Kids für das Thema „Sport mit Behinderung“ zu sensibilisieren, dann habe man schon viel geschafft, meinte der mehrfache Welt- und Europameister. In Göttingen ist dies mehr als geglückt.

„Matze ist ja schon sehr lange bei uns im Verein, deshalb waren wir das Spielen gegen Rollis ja schon teilweise gewohnt. Dass wir jetzt gegen und mit Nationalspielern spielen durften, war eine super Sache“, meinte Alves jüngerer Sohn Jakob. Mit „Matze“ ist Matthias Kleinert (37) gemeint, der seit 1994 im Rollstuhl für den SC Weende spielt. „Der SC war damals der einzige Verein, der mich ohne Vorbehalte aufgenommen hat“, sagt Kleinert.

Detlev Haschke, dem damaligen Abteilungsleiter, war die Einbindung gehandicapter Sportler besonders wichtig. „Zu Hochzeiten waren wir mal sieben Spieler“, betont Kleinert. „Viele reden nur. Wir packen etwas an, und das jetzt schon seit fast zwei Jahrzehnten. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Holger und seinem Projekt sport grenzenlos das Beste, was uns passieren konnte. Sie passt wunderbar zum 100-jährigen Jubiläum unseres Gesamtvereins“, ergänzt Schiktanz.

Auch die Abendveranstaltung nach einem intensiven Trainingstag am Samstag hatte ein ganz besonderes Flair. Der SC Weende hatte im Vorfeld die Werbetrommel gerührt und so fanden sich rund 100 Gäste in der Sporthalle am James-Franck-Ring ein und konnten sich unter anderem vom Top-Niveau der Nationalspieler während eines Show-Matches überzeugen. Im Anschluss durften die Besucher auch selbst zum Schläger greifen und sich mit Nikelis und Co. auf Augenhöhe messen. Die Moderation der kurzweiligen Veranstaltung hatte TV-Moderator Dennie Klose übernommen. Abgerundet wurde der Abend vom erfrischenden Auftritt der Nachwuchs-Band „Better Than“, die aus Teilnehmern des Lehrgangs bestand.

Die Teilnehmer durften im Turniermodus, in verschiedene Leistungsklassen aufgeteilt, gegeneinander antreten (Foto: „sport grenzenlos“)

Nach zwei intensiven Trainingstagen mit viel Spaß, ging es dann am Sonntagmorgen erstmals etwas ernster zu. Die Teilnehmer durften im Turniermodus, in verschiedene Leistungsklassen aufgeteilt, gegeneinander antreten. „Ich finde das schon krass, was die Rollis am Tisch zaubern. Im Abschlussturnier während des Finals war ich erst chancenlos“, berichtet der 17-jährige Marius Oberdieck. Er traf im Endspiel auf Rollstuhl-Nationalspieler Valentin Baus. „Erst als ich taktisch auf höchstem Niveau gespielt habe, kam ich besser rein“. Am Ende stand es 3:2 für den Schützling von Torpedo Göttingen. „Ich würde das gerne wiederholen. Wir haben uns mit dem sport grenzenlos Team super verstanden“, sagt Oberdieck.

Ein perfektes Wochenende, bei dem auch die barrierefreie Unterbringung des sport grenzenlos Teams im Tabalugahaus stimmte. Der Geschäftsführer der Duderstädter Einrichtung, Karsten Ley, war von Nikelis auf den Lehrgang aufmerksam gemacht worden und stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung.

Und so zog auch Holger Nikelis ein positives Fazit. „Das war ein Lehrgang, der mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Er wurde mit viel Engagement aller Beteiligten durchgeführt. Die Teilnehmer waren aufgeschlossen und hoch motiviert. Sie hatten überhaupt keine Berührungsängste.“Das bekam auch Charly Weber zu spüren, der wohl für das nächste Abschlussturnier eines inklusiven Lehrgangs mit sport grenzenlos deutlich mehr Rollstühle auftreiben muss.

Hier gibt es eine Online-Bildergalerie des inklusiven Tischtennis-Lehrgangs.

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