Können Rollstuhlfahrer barrierefrei couchsurfen?

Couchsurfing liegt voll im Trend. Das Übernachten in Privatzimmern oder –wohnungen ist wesentlich günstiger als eine Hotelbuchung und bietet außerdem eine persönlichere Perspektive auf spannende Metropolen und ihre Bewohner. Portale wie Airbnb und Couchsurfing, die Gastgeber und Gäste miteinander vernetzen, boomen. RehaTreff hat gecheckt, ob und wo auch Rollifahrer unkompliziert ein Sofa zum Schlafen finden.

P1090676
Couchsurfing – mit Einschränkungen auch mit Rollstuhl möglich. Foto: Daniela Böhm

Mehr als 10 Millionen Reisende nutzen weltweit das 2003 gegründete Netzwerk Couchsurfing. Die Schlafplätze, die hier zur Verfügung gestellt werden – das kann auch mal ganz spartanisch eine Luftmatratze sein – sind kostenfrei. Ein kleines Gastgeschenk sollte man als Couchsurfer aber dennoch dabei haben. Hier steht das Kennenlernen, nicht der Komfort, im Vordergrund, und entsprechend jung ist mit 28 Jahren auch das Durchschnittsalter der Couchsurfer.

Airbnb wurde fünf Jahre später gegründet. Anders als bei Couchsurfing bezahlt man hier fürs authentische Urlaubserlebnis. Geboten werden dafür häufig schicke Lofts oder exklusive Ferienwohnungen. Bei letzteren sei hier kritisch angemerkt, dass man sich als Reisender überlegen sollte, ob man dies unterstützen möchte. In vermeintlich hippen Stadtvierteln Berlins, Hamburgs, Barcelonas und anderer Großstädte werden immer mehr Mietwohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt. Langjährige Bewohner werden so verdrängt, und die Authentizität, die ja eigentlich gesucht wird, geht damit verloren.

Im Folgenden einige nähere Details zu den verschiedenen Plattformen:

Couchsurfing

Kommuniziert wird im Netzwerk www.couchsurfing.org auf Englisch. Anfragen lassen sich unkompliziert in der Suchmaske eingeben, es gibt auch eine erweiterte Suchoption zum „Wheelchair Access“. Was die jeweiligen Gastgeber damit meinen, erfährt der potenzielle Gast jedoch nicht, die Angaben beruhen ausschließlich auf der persönlichen Einschätzung. Es sollte deshalb vor der Buchung unbedingt beim Gastgeber nachgefragt werden.

Airbnb

Der 2008 in San Francisco gegründete Marktplatz Airbnb konnte für den Sommer 2015 das Rekordergebnis von 17 Millionen Urlaubern vermelden. Hier können verwöhnte Gäste sich auch in einem von 1.400 Schlössern oder Villen einmieten. Auf Airbnb.de surft man auf Deutsch, auch hier gibt es auf der Unterkunftssuche erweiterte Suchoptionen „Für Rollstuhlfahrer geeignet“ oder „Aufzug im Gebäude“. Aber auch hier gilt: Die Angaben werden nach eigener Einschätzung von den Gastgebern gemacht. Eine Stichprobe in Weimar ergab zum Beispiel zwölf barrierefreie Unterkünfte. Teilweise war aber schon auf den Fotos zu sehen, dass Zimmertüren viel zu eng waren oder mehrere Stufen ins Haus führten.

Housetrip

Weltweit rund 61.000 private Wohnungen werden auf dem englischsprachigen Portal housetrip.com angeboten. Auch hier können Rollstuhlfahrer bei der Suche nach einer barrierefreien Unterkunft ein Häkchen auf „Wheelchair Access“ machen. Das traumhafte Ergebnis von mehr als 300 vermeintlich barrierefreien Wohnungen in Barcelona machte bei der Stichprobe schon einmal misstrauisch. Beim Betrachten der sehr detaillierten Fotos einer willkürlich ausgesuchten Wohnung war das Bad schon für einen etwas beleibteren Menschen ganz offensichtlich viel zu eng – wie ein Rolli dort hinein passen soll, bleibt das Geheimnis des Gastgebers, der es als „barrierefrei“ eingeschätzt hat.

Wimdu

Mehr als 300.000 urbane Unterkünfte in mehr als 140 Ländern finden Urlauber auf der 2011 in Berlin gegründeten Plattform Wimdu.de. Auch hier ist die Übernachtung kostenpflichtig und für Rollstuhlfahrer umständlich zu recherchieren: Einen „barrierefreien Zugang“ kann man unter den Suchoptionen zwar ankreuzen, was das für das jeweilige Appartement aber bedeutet, erfährt der Suchende nicht. Aber auch hier sagen Fotos häufig mehr als Worte: In viele Wohnungen kommt man vielleicht hinein, die Bewegungs- und Barrierefreiheit innen scheinen aber nicht gegeben zu sein. Auf die Anfrage zur Verbindlichkeit der barrierefreien Angaben oder zu Planungen, Reisende im Rollstuhl zukünftig stärker zu berücksichtigen, gab das Unternehmen keine Antwort.

9flats

Ähnlich frustrierend ist die Suche auf 9flats.com. Auch hier gibt es zwar den Filter „Barrierefrei“, aber ebenso wie auf den anderen Plattformen ist dieser nicht mit verbindlichen Kriterien zur Ausstattung hinterlegt.

„Die Angaben zur Wohnung werden sämtlich vom Gastgeber ausgefüllt und festgelegt. Wir machen zum Thema Barrierefreiheit keine besonderen Vorgaben. Es besteht jedoch jederzeit die Möglichkeit für einen Gast, noch vor verbindlicher Buchung über unser internes Nachrichtensystem mit dem Gastgeber Kontakt aufzunehmen. Hier kann dann nochmals spezifisch nach der genauen Art der Barrierefreiheit gefragt werden“, so Robin Zell von 9flats. Anfragen von Gästen speziell zur Barrierefreiheit würden regelmäßig kommen, ein detaillierterer Suchfilter sei jedoch nicht in Planung. „Da wir aber ständig dabei sind, unseren Service zu verbessern, schließe ich eine Modifizierung in diese Richtung nicht aus“, so Zell.

Hospitality Club

Im Hospitality Club findet man, wie bei Couchsurfing, unentgeltliche private Übernachtungsmöglichkeiten. Die Plattform wird von Mitgliedern verwaltet und ist nicht so professionell aufgemacht wie der „große Bruder“ Couchsurfing. Die Registrierung neuer Mitglieder kann eine Weile dauern, vorher ist eine recht umfangreiche Maske auszufüllen. Hier haben Gäste und Gastgeber die Möglichkeit, auf Barrierefreiheit hinzuweisen – ein Filter ist jedoch nicht für dieses Kriterium vorgesehen. Zum Hospitality Club geht es auf www.hospitalityclub.org

Wheelchair Couchsurfing auf Facebook

Lisa Schmidt, Psychologie-Bachelor aus Bielefeld, reist mit ihrem Freund, Profi-Chairskater David Lebuser, viel und gern durch die Welt. Bei der Unterkunftssuche gilt für sie: „Angaben zur Barrierefreiheit glauben wir erstmal nicht, sondern fragen immer wieder nach!“ Eine Unterkunft mit zehn Stufen in Kopenhagen wurde dem Paar von einem Airbnb-Gastgeber als „barrierefrei“ verkauft. „Von Airbnb gab es dafür zumindest einen Gutschein, und das Barrierefrei-Symbol wurde aus der Anzeige genommen“, so Lisa Schmidt, die resümiert: „Es gibt nicht viele barrierefreie Angebote auf den klassischen Portalen. Meistens handelt es sich bei den Besitzern nicht um Rollstuhlfahrer, so dass die oft gar kein Auge dafür haben, ob ihre Wohnung tatsächlich für Rollstuhlfahrer geeignet ist.“

DavidLisa4
Übernachten oft auf fremden Sofas. David Lebuser und seine Freundin Lisa. Foto: privat

Aus ihren Erfahrungen heraus hat die 27-Jährige zusammen mit einer befreundeten Rollstuhlfahrerin die Facebook-Gruppe Wheelchair Couchsurfing gegründet. Nach dem Couchsurfing-Prinzip werden hier rollstuhlgerechte Übernachtungsmöglichkeiten unentgeltlich angeboten und gesucht. Die Gruppe hat derzeit 467 Mitglieder – vorwiegend deutsche. Über mehr internationale Gastgeber und Gäste würde Lisa Schmidt sich freuen. „Die Gegebenheiten in den Unterkünften sind in der Regel super, manchmal sind sogar diverse Hilfsmittel wie Lifter oder ähnliches vorhanden.“ Einen echten Glückstreffer haben sie und ihr Freund David an Ostern dieses Jahres trotzdem über ein klassisches Portal gelandet: „Wir haben total spontan eine Übernachtungsmöglichkeit bei einem sehr netten jungen Paar aus Stuttgart gefunden. Obwohl beide gut zu Fuß sind, wohnen sie perfekt barrierefrei. Sie haben uns extrem nett aufgenommen, für uns gekocht, sind mit uns skaten und abends ein Bierchen trinken gegangen. Toll!“ Die Facebook-Gruppe Wheelchair Couchsurfing ist zu finden auf www.facebook.com/groups/653881748052624/?fref=ts

Miriam Flüß

Dieser Artikel erschien im RehaTreff (04/2015).
Hier können Sie ein kostenloses Probeheft oder ein Abo bestellen (21 €/Jahr für vier Ausgaben)
RT_4_2015_Titel

Weitere Artikel

Letzte Beiträge