Mehr Geld, mehr Verantwortung, akademische Qualifikation: Wie sich Therapeuten im Beruf halten lassen

Ein akademischer Abschluss macht sich für Therapeutinnen und Therapeuten in Deutschland bezahlt: Sie verdienen im Vergleich zu ihren examinierten Kollegen durchschnittlich brutto rund 250 Euro mehr im Monat. Das ist eines der wesentlichen Ergebnisse der Studie „Ab in die Zukunft“, in der Forscherinnen und Forscher der Hochschule Fresenius in Idstein neue Erkenntnisse über Karriereaussichten und berufliche Hürden von Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen gewonnen haben. Viele Therapeuten leiden aber an der mangelnden Wertschätzung ihres Berufes – und der Fachkräftemangel fällt deutlich höher aus als bisher angenommen. Die Studie wurde am 29. September im Rahmen eines Symposiums an der Hochschule vorgestellt.

Seit der Abkopplung von der Grundlohnsummenanbindung sowie des Gesetzes zur Erhöhung der Leistungsvergütungen im April 2017 sind die Löhne der angestellten Therapeuten laut Studie im Durchschnitt um drei bis dreieinhalb Prozent gestiegen, das Einkommen der Selbstständigen und Praxisinhaber um vier bis fünf Prozent. Dennoch besteht immer noch eine sehr hohe Diskrepanz zum durchschnittlichen Bruttomonatslohn aller Berufstätigen in Deutschland. „Insofern verwundert es nicht, dass 85 Prozent der Therapeuten an der so genannten beruflichen Gratifikationskrise leiden – das heißt, für sie stehen Einsatz und Belohnung in einem Ungleichgewicht“, berichtet Prof. Dr. Sabine Hammer, Dekanin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften an der Hochschule Fresenius und verantwortliche Leiterin des Studienprojekts. „Neben dem Gehalt fließen hier noch weitere Faktoren wie die generelle Anerkennung von Beruf und Tätigkeit sowie Entwicklungsmöglichkeiten in die Beurteilung ein.“

Alarmierend sind die Resultate zum Fachkräftemangel in den therapeutischen Berufen. Hier dürfte sich die Situation deutlich verschärft haben. Die Bundesagentur für Arbeit gibt für Ende 2017 an, dass offene Stellen für Physiotherapeuten 150 Tage unbesetzt bleiben. Die Forscher der Hochschule Fresenius haben nun ermittelt, dass die durchschnittliche Vakanzzeit für alle Therapieberufe bei 250 Tagen liegt und damit deutlich höher ist als angenommen. „Es ist davon auszugehen, dass viele Arbeitgeber freie Stellen für Therapeuten nicht bei der Agentur für Arbeit melden. Für die Therapeuten selbst hat das insgesamt positive Konsequenzen: die Jobaussichten für angehende Therapeuten sind beispielsweise sehr gut“, so Hammer. Der akute Fachkräftemangel spiegelt sich auch in den Wartezeiten der Patienten wider, die im Schnitt 30 Tage auf einen Behandlungsplatz warten müssen – in der Spitze sogar 50 Tage.

Welche Lösungen gibt es? Neben der Akademisierung der Therapieberufe ist vor allem die Berufsautonomie ein Thema. Lediglich knapp ein Drittel der im Rahmen der Studie Befragten hält eine ärztliche Diagnostik vor dem Therapiebeginn für unbedingt notwendig. Gut 90 Prozent fühlen sich in der Lage, Therapiebeginn, -art und –umfang selbst zu bestimmen und mit einer so genannten Blankoverordnung zu arbeiten, die aktuell als Modell getestet wird. Hammer lobt, dass sich darüber zumindest die Bürokratie reduzieren lässt und der Handlungsspielraum für den Therapeuten erweitert werden kann. „Abzuwarten bleibt aber, ob und wie schnell sie flächendeckend umgesetzt wird, für welche Indikationen sie gilt und inwieweit der Umfang therapeutischer Leistungen gedeckelt wird.“ Die befragten Therapeuten sind zurückhaltend, was ihre Erwartungen angeht: 40 Prozent denken, dass die Blankoverordnung tatsächlich regelhaft eingeführt wird. An den Direktzugang, das heißt den gänzlichen Verzicht auf den Arzt, glaubt nur ein Viertel der Therapeuten. „Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass die Voraussetzungen für einen Direktzugang, insbesondere was Haftungsfragen angeht, noch nicht hinreichend geklärt sind“, sagt Hammer.

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