Mehr Selbständigkeit und Lebensqualität durch Assistenzroboter

Der mobile Kommunikationsassistent ALIAS
Der mobile Kommunikationsassistent ALIAS

Wie Roboter hilfebedürftige Menschen schon heute unterstützen, und was morgen möglich sein wird, zeigten Forscher im Themenpark Assistenzrobotik. Haushaltshelfer, Notfallassistenten, Ess-, Geh- und Mobilitätshilfen, Rollstühle mit Roboterarm, robotergestützte Rehabilitationsmaßnahmen oder Unterstützung für das Pflegepersonal: Die Einsatzmöglichkeiten der Assistenzrobotik in Rehabilitation und Pflege sind vielfältig. Und die Potentiale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Thematisch und inhaltlich koordiniert vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, präsentierten sechs europäische und internationale Aussteller auf einem Gemeinschaftsstand marktfähige neue Produkte und zukunftsweisende Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Assistenzrobotik für ältere oder behinderte Menschen.

Ausgleich von körperlichen und kognitiven Schwächen

„Assistenzroboter können wesentlich dazu beitragen, die Selbständigkeit und Lebensqualität hilfebedürftiger Personen zu steigern, indem sie ihre Abhängigkeit von Dritten verringern“, erläutert Dr. Birgit Graf, Gruppenleiterin Haushalts- und Assistenzrobotik am Fraunhofer IPA. Je nach Grad der Einschränkung des Betroffenen helfen Robotersysteme im Alltag durch Kraftunterstützung oder durch Ausgleich nicht mehr vorhandener körperlicher und kognitiver Fähigkeiten.

Serviceroboter Care-O-bot 3

Eine Attraktion des Themenparks war der Haushaltsroboter Care-O-bot 3 des Fraunhofer IPA. Care-O-bot 3 besteht aus einem Roboterarm und einer Steuereinheit. Ein Tablett dient der Übergabe von Gegenständen. Der Roboter wurde bereits in einer stationären Pflegeeinrichtung intensiv getestet. Dort versorgte er Bewohner mit Getränken und diente als Unterhaltungsplattform. Der Roboter kann Gegenstände automatisch lokalisieren und greifen. Über einen Touchscreen bietet er Gesellschaftsspiele, Programme zum Gedächtnistraining, Musik und das Vorlesen von Büchern an. In einer neu entwickelten Anwendung war er auch als mobiler Notfallassistent zu sehen: Ein älterer Mensch stürzt. Die Sensorbox (eine Art Kameraüberwachung) in seiner Wohnung erkennt die Notsituation und schickt den mobilen Assistenzroboter zu ihm. Dieser ermöglicht der gestürzten Person, über seinen integrierten Bildschirm einen Notdienst zu kontaktieren. Der Roboter versucht dem Gestürzten dann mit seinem Roboterarm aufzuhelfen oder versorgt ihn während der Wartezeit auf die Helfer mit einem Kissen und einem Glas Wasser.

Kommunikationsassistent ALIAS

Der mobile Kommunikationsassistent ALIAS, der gemeinsam vom Exzellenzcluster CoTeSys der Technischen Uni München, dem Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) sowie der MetraLabs GmbH entwickelt wurde, hilft als PC oder Telefon auf Rädern bei der Interaktion mit der Familie oder dem Pflegepersonal. Der Kopf von ALIAS ist eine durchsichtige Kugel, aus der große, runde Augen blicken. Sein langer Hals geht in einen kegelförmigen Körper über. An der Brust trägt er einen berührungsempfindlichen Bildschirm, mit dem man ihm mitteilen kann, was man von ihm möchte. Auch Sprachbefehle befolgt er aufs Wort. Neben Spielen, Unterhaltung und Videotelefonie bietet der Roboter ebenfalls die Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen. Im Notfall ermöglicht er dem Pflegepersonal, ihn in der Wohnung fernzusteuern und über sein Kamerasystem nachzusehen, wo und in welchem Zustand sich der Nutzer befindet. In Zukunft soll ALIAS auch über eine akustische Ereigniserkennung Hilferufe, Wimmern oder Stürze erkennen. Gearbeitet wird außerdem an einem Erinnerungsassistenten, der dem Nutzer hilft, wichtige Termine, wie etwa die Einnahme von Medikamenten, einzuhalten. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass ALIAS in zwei bis drei Jahren Marktreife erlangt und in Privathaushalten und Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden kann.

Schlaganfallpatienten lernen wieder Greifen

Für die Therapie und Rehabilitation im stationären oder ambulanten Umfeld entwickelt sind „ArmAssist“, ein Assistenzroboter für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten, und die „HapticDrive“-Plattform für Arm- und Hand-Training im klinischen Einsatz, beide von der spanischen Fundación TECNALIA.

Roboterarme helfen beim Essen und Trinken

Der niederländische Anbieter Focal Meditech BV stellte die Esshilfe MySpoon und den Roboterarm Jaco vor. Diese helfen Rollstuhlfahrern, die ihre Arme nicht mehr ausreichend bewegen können, beim Essen und Trinken. Die Steuerung des Hilfsarms erfolgt über einen Joystick. Beide Systeme sind bereits für den praktischen Einsatz erprobt und verfügbar.

Roboter sollen den Menschen nicht ersetzen

„Entscheidend ist, dass der Roboter menschliche Kontakte und Pflegekräfte nicht ersetzen kann, sondern unterstützen soll“, unterstreicht Themenpark-Koordinatorin Birgit Graf. Bewusst habe man deshalb darauf verzichtet, Assistenzrobotern wie dem Care-O-bot 3 ein humanoides Aussehen zu geben, um keine falschen Erwartungen an dessen Fähigkeiten zu wecken. Der Roboter solle als Werkzeug wahrgenommen werden, über das der Mensch jederzeit die volle Kontrolle habe. Die Steuerung erfolge derzeit bei den meisten Projekten noch über Touchscreen, an weiteren Eingabemedien wie Sprache oder Gestik forsche man aber intensiv.

Assistenzroboter werden nach Aussage von Birgit Graf zunächst nur sehr eng umrissene Aufgaben erfüllen können. Dies auch aus Kostengründen. Erst mittel- bis langfristig werde es echte „Generalisten“ geben, die mehrere Aufgaben auf einmal lösen könnten.

Rückkehr in den Beruf mit Hilfe eines Roboters

Ist eine Rückkehr in den Beruf für hoch gelähmte Menschen denkbar? Der Assistenzroboter FRIEND aus Bremen macht es möglich: Mit seiner Hilfe können Menschen, die zum Beispiel aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung stark eingeschränkt sind, ins Berufsleben zurückkehren. In einem Modellprojekt arbeitet eine Tetraplegikerin mit FRIEND in einer Bremer Bibliothek zusammen. Lena Kredel katalogisiert mit Hilfe des Roboters Bücher, genauer gesagt bringt sie konventionelle Kartenkataloge online. FRIEND arbeitet Lena Kredel dabei zu: Er greift sich Bücher von einem Bücherwagen und legt sie auf einer Halterung ab. Nach der Katalogisierung schließt er die Bücher und legt sie wieder weg. Die eigentliche Katalogisierung und die Eingabe der Literaturdaten führt die Mitarbeiterin mit Hilfe einer Sprachsoftware durch. Dieses Projekt wird vom Versorgungsamt Bremen mit über 400.000 Euro finanziert.

Katja Rosdorff

Weitere Artikel

Letzte Beiträge