Rollstuhlbasketball: Die sportliche Reise des Aliaksandr Halouski

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Topscorer Aliaksandr Halouski. Foto: Andreas Joneck

Er ist Jahrgang 1987, in Minsk geboren und einer der großen Hoffnungsträger der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Herren für die diesjährigen Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro. Die Rede ist von Aliaksandr Halouski, dessen steile Sportkarriere ihn aus der weißrussischen Hauptstadt über das thüringische Erfurt nun im September nach Rio de Janeiro führen wird.

Im Jahr 2010 hat sich der Basketballer Aliaksandr Halouski mit nur 22 Jahren seine zweite schwere Knieverletzung zugezogen. Ein herber Rückschlag. In diesen Tagen hätte sich Alex, wie ihn seine heutigen Teamkollegen rufen, sicher nicht träumen lassen, dass er nur sechs Jahre später im Trikot der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft in Rio de Janeiro auf Korbjagd sein würde. Doch so schnell gab sich Aiaksandr Halouski nicht geschlagen – nicht der ehrgeizige Sportler, der alle anstehenden Herausforderungen auf seinem Weg von Minsk nach Rio de Janeiro als willkommene Prüfungen angesehen hatte. Und die ihn heute zu einem der besten Centerspieler Europas gemacht haben.

Nach schwerer Knieverletzung folgte der Wechsel zum Rollstuhlbasketball

Doch der Reihe nach. Der damals 22-Jährige akzeptierte schnell, dass er seinen geliebten Basketballsport nicht mehr in der gewohnten Form ausüben konnte. Alternativen mussten her. Die fand er zunächst beim RSKI Minsk – es waren seine ersten Kontakte zu der für ihn damals völlig neuen Sportart Rollstuhlbasketball. Mit viel Ehrgeiz und Trainingsfleiß stellte er sich der neuen Herausforderung und reiste im Frühjahr 2011 mit seinen Minsker Teamkollegen zu einem Vorbereitungsturnier ins russische St. Petersburg.

Eine Reise, die Aliaksandr Halouski nicht mehr vergessen wird. Denn: Gast in St. Petersburg war damals auch das Team RSB Thuringia Bulls aus Elxleben bei Erfurt. Ihr Coach Josef Jaglowski erkannte sofort das Potenzial des langen Mannes aus Minsk. Der Kontakt riss in den Folgemonaten nicht ab und bereits im August 2011 stand Aliaksandr Halouski erstmals im Training seines neuen Teams in Thüringen. „Was Josef und Lutz in dieser Zeit und später für mich getan haben, war großartig, das werde ich nie vergessen“, ist der heute 29-Jährige seinem Trainer und dem Macher des Thüringer Rollstuhlbasketballs, Lutz Leßmann, ebenso dankbar wie verbunden.

Es folgte eine rasante sportliche Entwicklung in der neuen Sportart, ein Sprachkurs in Deutsch und das Eingewöhnen in der neuen Heimat Erfurt. „Ich fühle mich hier inzwischen absolut zu Hause. Deutschland bietet so viele offene Türen. Ich sehe dabei immer das Positive und freue mich, dass ich diese Chance bekommen und ergriffen habe“, so der ruhige, zielstrebige und bescheidene Vorzeigesportler. Und auf die Frage, ob ihm denn nicht etwas aus der alten Heimat fehle, sagt er mit einem Schmunzeln: „Ich hatte doch bisher gar keine Zeit etwas zu vermissen.“ Sollte der deutsche Nationalspieler bisher vielleicht doch etwas vermisst haben, dürfte auch dies bald der Vergangenheit angehören. Denn im August kommt seine Freundin Alena ebenfalls nach Erfurt. Und wenn jemand Verständnis für die wenige Freizeit des Leistungssportlers Aliaksandr Halouski hat, dann Alena Novikava. Schließlich ist sie selbst Profi-Basketballerin mit Auslandsstationen in Weißrussland, Polen, Tschechien, und Frankreich.

 Inzwischen ein großer Name in der Rollstuhlbasketball-Szene

Heute, fünf Jahre nach seiner Ankunft im deutschen Rollstuhlbasketball, ist Aliaksandr Halouski sportlich unbestritten zu einem ganz großen Namen in der Szene aufgestiegen. Die letzten zwölf Monate dürften ihm dabei wie ein sportlicher Traum vorgekommen sein – folgte der nicht unbedingt zu erwartenden EM-Bronzemedaille im September 2015 mit der deutschen Nationalmannschaft im Frühjahr dieses Jahres sogar noch das Triple mit seinem Vereinsteam. Maßgeblichen Anteil am Gewinn des Deutschen Pokals, der Meisterschaft in der RBBL und des europäischen André-Vergauwen-Cups für die Thuringia Bulls hatte auch der inzwischen eingebürgerte Center.

Doch der Erfolgshunger des 29-Jährigen ist längst noch nicht gestillt. Das liegt nicht zuletzt am großen Ziel Rio de Janeiro. Hier will er mit dem deutschen Auswahlteam für Furore sorgen. „In Rio dabei sein zu dürfen, ist eine Überraschung und Ehre zugleich. Daran hätte ich vor Jahren noch keinen einzigen Gedanken verschwendet – aber ich liebe Prüfungen und Rio ist sicher eine weitere in meinem Leben“, erklärt Aliaksandr Halouski. Noch ist Alex geographisch 9773 Kilometer Luftlinie von seinem sportlichen Traum an der Copacabana entfernt, doch gedanklich ist er dort längst angekommen. „Natürlich wäre eine Medaille die Krönung. Das ist allerdings ein weiter Weg. Wir müssen einfach spielen, kämpfen und darauf hören, was der Bundestrainer sagt“, so Halouski zu seiner ebenso einfachen wie klaren Marschroute durch den Sommer 2016. Und der angesprochene Bundestrainer hat viel Lobendes über seinen Athleten zu sagen: „Alex hat uns um vermeintlich typisch deutsche Werte wie Disziplin, Fleiß und effektive Spielweise bereichert. Er ist ein stiller Leader auf und abseits des Feldes, das zeichnet ihn aus. Dazu hat er einen Charakter, mit dem es Freude macht, zusammenzuarbeiten“, so Nicolai Zeltinger.

So darf also getrost geträumt werden, so wie es vor vier Jahren vielleicht auch Nationalmannschaftskollegin Johanna Welin getan hat. Die gebürtige Schwedin siedelte Jahre zuvor nach Deutschland um, erhielt in der Folge die deutsche Staatsbürgerschaft und zeigte dann eine starke Leistung bei den Spielen 2012 in London. Dass ihr ganz persönlicher Traum mit der Goldmedaille endete, ist eine Parallele, von der auch Aliaksandr Halouski noch träumt. Aber was wäre ein Leistungssportler ohne diese Träume.

Andreas Joneck

 

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